Reifenhaftung (Grip)
Inhalt
- Allgemein
- Die Auflagefläche
- Kombination der lateralen und longitudialen Kräfte
- Gewichtsverlagerung und Grip
- Traktionsmaximierung
- Grip erhöhen
- Grip und Untergründe
- Gewichtsverlagerung
- Warum verlagert sich das Gewicht?
- Beschleunigung – Gewichtsverlagerung nach hinten
- Entschleunigung – Gewichtsverlagerung nach vorne
- Lenken
Allgemein
Reifenhaftung ist wunderbar! Sie verhindert, dass du von der Straße abkommst, erlaubt dir zu beschleunigen, Kurven zu fahren und auch für das Abbremsen brauchst du sie. Diese Anhangskraft hat jedoch eine Grenze und genau diese ist die Grenze für dein Fahrzeug. Um dein Fahrzeug in diesem Grenzbereich zu bewegen, brauchst du darüber ein Grundverständnis. Als erstes denken wir mal über die Auflagefläche des Reifens nach. Das ist die Fläche, die tatsächlich zu jeder Zeit beim Fahren in Kontakt mit dem Untergrund ist.
Auflagefläche
Die Auflagefläche
Dieser kleine Bereich kann natürlich nur eine begrenzte Menge an Kraft übertragen. Um die Zusammenhänge besser zu erklären, teilen wir diese Kräfte zwischen Brems- und Beschleunigungskraft (longitudinal) und Seitenführungskraft (lateral) auf. Longitudinale Haftung wird beim Bremsen und Beschleunigen aufgebraucht und die laterale Haftung beim Lenken und Durchfahren einer Kurve.
Darstellung der Kontaktfläche mit a.) der longitudinalen und b.) der lateralen Kraft.
Und nun das Wichtigste: Wenn du den kompletten Grip in einer Übertragungsrichtung aufgebraucht hast, dann kannst du in der anderen Richtung keine Kraft mehr aufbauen (z.B. lenken).
Kombination der lateralen und longitudinalen Kräfte
Am Anfang deiner Karriere als schneller Fahrer ist es vernünftig erst einmal die am meisten Grip fordernden Kräfte separat zu verwenden. Wenn du zum Beispiel stark beschleunigen oder kräftig auf einem geraden Stück bremsen möchtest, versuche das Lenken auf ein Minimum zu reduzieren. Wenn du das für eine Kurve anwenden willst, bremse sehr stark solange du noch geradeaus fährst. Dann löse die Bremse vollständig, bevor du in die Kurve einlenkst (siehe Grafik). Wenn du das so durchführst, hast du die wenigsten Probleme mit dem Grip der Reifen und gibst dir einen Puffer Reserve für den Fall, dass etwas schiefgeht.
Separates Bremsen und Lenken zum Reduzieren der Grip Anforderung
Professionelle Fahrer werden versuchen die Kräfte gleichzeitig in beiden Richtungen zu kombinieren, um das letzte Quäntchen des Möglichen zu erreichen. Wenn du die Beschleunigungskräfte und die Seitenführungskräfte gleichzeitig nutzt nennt man „trail braking“ und es fordert sehr viel von deinen Reifen und natürlich auch von dir. Die nächste Grafik zeigt wie sich diese Kräfte addieren und die gesamte Anforderung für deine Reifen darstellen. In diesem Beispiel hat der Fahrer die Grenzen falsch eingeschätzt und rutscht damit unkontrolliert (üblicher Fahrfehler).
Kombination von Bremsen und Lenken („trail braking“)
Gute Fahrer wissen die Balance der Kräfte zu halten, besonders beim Fahren einer Kurve, beim Beschleunigen und beim scharfen Bremsen. Fährt man am Rande des Möglichen, also am Limit, ist es notwendig so weich wie möglich zu fahren. Es kann dir sonst schnell passieren, dass ein harter Gangwechsel die letzten Grip Reserven aufbraucht und du in Richtung Reifenstapel unterwegs bist.
Gewichtsverlagerung und Grip
So wie das normale Leben nicht immer so einfach ist wie es aussieht, ist es auch mit dem Grip. Es wird dich vielleicht überraschen und du musst lernen, dass die maximal möglichen Kräfte nicht einen festen Wert haben, sondern von vielen Faktoren abhängen. Einer dieser Faktoren ist die Höhe des Gewichts auf den Reifen zu einem Zeitpunkt. Sobald du die Höhe des Gewichts auf die Kontaktfläche des Reifens verringerst, wirst du auch gleichzeitig weniger Kraft übertragen können und natürlich auch umgekehrt. Wenn du stark beschleunigst, wirst du an den Vorderrädern weniger Haftung haben und beim Bremsen entsprechend mehr. Das liegt an der Gewichtsverlagerung durch die Beschleunigungs-, Flieh- und Bremskräfte. Das nachfolgende Foto zeigt eine ordentliche Gewichtsverlagerung zur Seite. Es ist gut sichtbar, dass das kurveninnere Hinterrad in der Luft ist und somit nichts zum Grip beiträgt. Es wird einen separaten Artikel über diese Gewichtsverlagerungen geben und wie die Traktion durch den Fahrer beeinflusst wird.
Vorderradantrieb mit Motor vorn und harter Kurvenfahrt
Traktionsmaximierung
Die beste Möglichkeit die Haftung deines Autos zu maximieren, ist es einen weichen Fahrstil zu fahren. Die Art des Gangwechsels und der Gebrauch von Gas, Bremse und Lenkung können die Höhe der zur Verfügung stehenden Traktion beeinflussen. Die besten Rennfahrer sind in aller Regel auch die, die am flüssigsten fahren. Diese Regel gilt gleichermaßen für alle Fahrdisziplinen, egal ob auf der Rundstrecke oder im Gelände oder einem Slalomparcour gefahren wird.
Grip erhöhen
Grip kann auf verschiedenen Arten erhöht werden. Alle sind relativ einfach durchzuführen. Man kann die Aerodynamik ändern, um bei hoher Geschwindigkeit Kräfte zu erzeugen. Spoiler erzeugen Abtriebskräfte und Splitter verhindern Auftriebskräfte zu deinem Vorteil. Aber sei vor billigen Spoilern und Anbauteilen gewarnt. Diese sind meistens nur für die Optik gebaut und können die Aerodynamik sogar verschlechtern. Wenn du Ausschau nach diesen Anbauteilen hältst, achte auf eine stabile Befestigung an deinem Fahrzeug. Manchmal ist es notwendig die Struktur (Bleche oder Ähnliches) zu verstärken. Des Weiteren ist eine Erhöhung der Haftung durch eine sorgfältige Auswahl der richtigen Gummis erreichbar. Weichere Reifen geben dir meistens eine bessere Haftung auf Rennstrecken, jedoch ist der Abrieb bei dieser Art Reifen auch am höchsten und der Reifen muss früher ausgetauscht werden. Es ist ja wie auch sonst immer im Leben – man muss den richtigen Kompromiss finden.
Grip und Untergründe
Der letzte Punkt, den es zu beachten gilt ist, dass deine Reifen immer nur die Hälfte der Traktion liefern. Die andere Hälfte stammt vom jeweiligen Untergrund. Eine trockene Fahrbahn gibt dir natürlich dramatisch mehr Haftung als eine Nasse. Der Grip variiert auch stark durch die Beschaffenheit des Untergrunds. Stelle immer sicher, dass dein Fahrstil zu der Beschaffenheit des Untergrunds und dem Wetter passt, passe deine Fahrweise bei einem Wechsel der Bedingungen entsprechend an. Sei verständig und suche Ratschläge von erfahrenen Fahrern, bevor du auf unbekanntem Terrain das erste Mal unterwegs bist. Man muss sich erst an die Bedingungen und den Kurvenverlauf, sowie die Kuppen und Senken gewöhnen und kann sich dann vorsichtig höheren Geschwindigkeiten nähern.
Gewichtsverlagerung
Es gibt drei Arten das Gewicht deines Fahrzeugs zu verlagern, durch:
- Beschleunigung (Gas geben)
- Entschleunigung (Bremsen)
- Richtungswechsel (Lenken)
Warum verlagert sich das Gewicht?
Gewichtsverlagerungen finden immer als Ergebnis einer Bewegungsänderung um den Schwerpunkt statt. Diese werden durch die Einstellung des Fahrwerks beeinflusst. Beim Beschleunigen, Bremsen oder Lenken wird das Chassis in umgekehrter Richtung belastet und drückt die Federn des Fahrwerks auf der einen Seite zusammen und auf der gegenüber liegenden Seite auseinander.
Kräfte um den Schwerpunkt des Chassis
Beschleunigung – Gewichtsverlagerung nach hinten
Immer wenn du auf das Gas steigst und du beschleunigst, wird das Gewicht nach hinten verlagert. Dadurch werden die hinteren Federbeine leicht gestaucht und der Grip an den Hinterrädern vergrößert.
Gewichtstransfer nach hinten durch Beschleunigung
Vorteile der Gewichtsverlagerung nach hinten
1. Wegziehen bei einem Auto mit Hinterradantrieb
Wenn Du einen guten Start benötigst, ist der Gewichtstransfer nach hinten genau das Richtige, was du brauchst. Dieses findet man bei heckangetriebenen Fahrzeugen. Desto höher die Beschleunigung ist, desto höher der Anpressdruck auf die angetriebenen Räder. Bei einem Auto mit Frontantrieb sieht es leider so aus, dass die Räder mit zunehmender Beschleunigung weniger Grip haben und als Ergebnis anfangen werden durchzudrehen. Man muss also weicher beschleunigen, umso mehr Kraft übertragen zu können (ähnlich wie bei der Schwellwertbremsung). Ein durchdrehendes Rad kann deutlich weniger Kraft übertragen.
2. Übersteuern verhindern bei einem Auto mit Frontantrieb
Übersteuern wird durch einen Mangel an Traktion an der Hinterachse erzeugt. Wenn du aber bei einem Auto mit Frontantrieb beschleunigst, dann wird die Gewichtsverlagerung nach hinten den Grip dort erhöhen und kann die Situation retten. Aber: Übersteuern bei einem Auto mit Heckantrieb wird in der Regel nicht durch beschleunigen gemildert! Die Reifen an der Hinterachse sind ja bereits über die Grenze belastet und können keine zusätzlichen Kräfte übertragen.
Nachteile der Gewichtsverlagerung nach hinten
Es kann ein Untersteuern ausgelöst werden
Ein Untersteuern resultiert aus dem Verlust der Traktion an den Vorderrädern. Wenn du bei der Einfahrt oder Durchfahrt einer Kurve noch beschleunigst, dann wird der Anpressdruck der vorderen Räder durch die Gewichtsverlagerung nach hinten verringert und das Fahrzeug wird dadurch eher geradeaus weiterfahren und deinem Lenkeinschlag nicht folgen.
Entschleunigung – Gewichtsverlagerung nach vorne
Autos können viel stärker bremsen als beschleunigen. Gewichtsverlagerungen beim Bremsen werden daher eher das Gleichgewicht deines Fahrzeuges beeinflussen.
Gewichtsverlagerung nach vorne durch bremsen
Vorteil der Gewichtsverlagerung nach vorne
Ein Untersteuern wird verhindert
Wenn du eilig auf eine Kurve zufährst, das Lenkrad drehst und merkst, dass du dich auf einer geraden Linie von der Strecke befindest, dann bist du wohl zu schnell in diese Kurve eingebogen. Aber es ist noch nichts verloren! Gehe leicht vom Gas und es wird etwas Gewicht nach vorne verlagert werden. Das erhöht den Grip an den Vorderrädern und das wird hoffentlich reichen, um wieder auf die richtige Linie zu finden. Wenn du allerdings bereits vom Gas gegangen warst, dann hilft nur noch ein leichtes Betätigen der Bremse und die Vorderräder werden wieder mehr Grip zur Übertragung der Lenkkräfte bekommen.
Nachteile der Gewichtsverlagerung nach vorne
Verringerung der Traktion an den Hinterrädern
Wenn du schnell und kräftig auf die Bremse trittst, wirst du bemerken, dass die Hinterräder als erstes blockieren werden (ohne ABS). Das ist der Hauptgrund, warum die meisten Fahrzeuge hinten kleinere Bremsen verbaut haben. Trotz dieser Tatsache werden die hinteren Räder leicht blockieren, wenn du die Bremse zu kräftig nutzt. In einer Kurve zu bremsen sollte aus dem gleichen Grund gemieden werden. Ein Fahrzeug kann leicht ins übersteuern geraten, wenn du diesen Rat nicht befolgst.
Wechsel der Gewichtsverlagerung
Um die besten Rundenzeiten zu bekommen, musst du entweder beschleunigen oder hart bremsen auf den Geraden. Jedes Zögern bedeutet, dass du Zeit verlierst und nicht so schnell bist, wie du sein könntest. Wenn man zwischen Beschleunigen und Bremsen wechselt, wirst du bemerken, dass dein Fahrzeug stärker darauf reagiert und das Gleichgewicht deines Fahrzeuges schwierig zu halten ist. Die verstärkten Auswirkungen werden durch das Ausfedern des Fahrwerkes bewirkt.
Lenken
Gewichtsverlagerung durch Lenken
Es ist wichtig beim Durchfahren von Kurven die seitliche Gewichtsverlagerung zu berücksichtigen. Wenn du progressiv in eine Kurve einbiegst und dich nicht in die Kurve schmeißt, dann wird die Gewichtsverlagerung weicher erfolgen und das Fahrzeug bleibt stabiler. Weil die kurvenäußeren Räder die größere Belastung tragen, wird ein progressives Einlenken mehr und mehr diese Räder belasten und diese werden umso mehr Grip aufbauen. Das wird dir helfen, die Kurven mit einer höheren Geschwindigkeit zu durchfahren, bevor die Haftung verloren geht. Wenn du jedoch das Auto in die Kurve wirfst, wird die plötzliche Gewichtsverlagerung dein Auto instabil machen und die Räder werden die Haftung verlieren. Also wieder einmal – schön ruhig und weich fahren und nichts mit der Brechstange versuchen.
Ein Beispiel
Nimm ein Auto mit Frontmotor und Heckantrieb und wirf es schwungvoll in eine Kurve während du gleichzeitig leicht beschleunigst. Das nachfolgende Diagramm zeigt dir die Traktion eines jeden Rades. Die Größe der Kreise steht für die Menge an Haftung. Die grünen Flächen zeigen wieviel von dem verfügbaren Grip durch die Kurvenfahrt genutzt wird und die orangen Flächen zeigen wieviel durch beschleunigen oder bremsen.
Traktion – hartes Abbiegen mit leichter Beschleunigung
Die vorderen Räder haben natürlich mehr Traktion als die Hinteren – das liegt am Gewicht des Motors. Jedoch wird im Diagramm sichtbar, dass die meiste Traktion zum Lenken genutzt wird. Es gibt aber noch eine kleine Reserve für den Fahrer, falls die Kurve sich zuzieht. Wenn die lateralen Kräfte an den Vorderrädern zu groß werden und die Haftung überschreiten, dann wird das Auto untersteuern. Die hinteren Räder beschleunigen leicht, benötigen aber weniger Grip. Diese Arbeit erledigen hauptsächlich die vorderen Räder. Wenn der Fahrer jedoch aggressiver ans Gas geht, wird die zu erbringende Haftung (Summe aus Beschleunigung und Kurvenfahrt) überschritten und ein Übersteuern wird resultieren.